15. September 2025

1 Kommentare

Kaltakquise im B2B

Was 2025 wirklich erlaubt ist (und was teuer wird)

Machen wir uns nichts vor. Wer in diesen Tagen durch LinkedIn scrollt, könnte meinen, die telefonische und digitale Kaltakquise erlebe eine glorreiche Wiedergeburt. Unzählige Coaches und Vertriebs-Gurus trommeln für aggressive Outbound-Strategien und versprechen das Blaue vom Himmel. Doch diese Ratschläge sind nicht nur oft überholt, sie sind in Deutschland brandgefährlich.

Sie sitzen also im Büro, die Pipeline für das nächste Quartal sieht eher nach Ebbe als nach Flut aus und der Gedanke liegt nahe: Mal eben dem LinkedIn-Guru nacheifern und ein paar potenzielle Geschäftskunden anrufen oder anschreiben. Kaltakquise. Ein Klassiker des Vertriebs. Doch Vorsicht! Was früher gängige Praxis war – und heute wieder propagiert wird – kann Sie in ein rechtliches Minenfeld führen, das im schlimmsten Fall Hunderttausende Euro kostet.

In Deutschland hat sich in den letzten Jahren ein regelrechtes Duell der Gesetze entwickelt: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die allseits beliebte Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) tanzen einen komplizierten Tango auf dem Parkett der Kundenakquise. Die Folge ist eine massive Verunsicherung im Markt. Was darf man denn nun wirklich noch im B2B-Bereich?

Dieser Artikel bringt Licht ins Dunkel. Wir nehmen die wichtigsten Kanäle unter die Lupe, entlarven gefährliche Mythen und zeigen Ihnen, wie Sie unserer Meinung nach rechtssicher neue Kunden gewinnen – ohne am Ende einen teuren Brief vom Anwalt oder einer Behörde im Postfach zu haben. Also, packen wir es an!

Der „faktische Tod“ der B2B-Telefonakquise: Was das neue Urteil bedeutet

Fangen wir direkt mit dem größten Paukenschlag an: Die telefonische Kaltakquise im B2B-Bereich ohne explizite Erlaubnis ist praktisch illegal geworden.

Jahrelang klammerte sich die Vertriebswelt an den Strohhalm der „mutmaßlichen Einwilligung“. Die Idee dahinter: Wenn Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung irgendwie zum Unternehmen des Angerufenen passt (ein allgemeiner Branchenbezug), dann dürfen Sie vermuten, dass er Interesse an Ihrem Anruf hat. Das war schon immer eine wackelige Angelegenheit, doch ein wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 6 C 3.23) hat diesen Mythos endgültig beerdigt.

Der Fall war so simpel wie entlarvend: Ein Edelmetallhändler rief bei Zahnarztpraxen an, um anfallendes Zahngold anzukaufen. Klingt naheliegend, oder? Das Gericht sah das anders. Der Verkauf von Edelmetallen, so die Richter, gehört nicht zum Kerngeschäft einer Zahnarztpraxis. Und die Telefonnummer im Impressum? Die ist für Patienten da, nicht für Werbeanrufe. Stichwort: Zweckbindung nach Art. 5 DSGVO.

Was bedeutet das für Ihre Praxis? Schauen wir uns ein paar Beispiele an:

  • Beispiel 1 (Verboten): Sie verkaufen eine innovative Buchhaltungssoftware. Dürften Sie einfach einen Handwerksbetrieb anrufen? Nein! Auch wenn jeder Betrieb eine Buchhaltung braucht, ist sie nicht sein Kerngeschäft. Das Gericht würde hier keine mutmaßliche Einwilligung sehen.
  • Beispiel 2 (Verboten): Sie sind eine Marketingagentur. Dürften Sie ein Maschinenbauunternehmen anrufen, um Ihre Dienste anzubieten? Nein! Die Veröffentlichung der Telefonnummer im Impressum dient der Kontaktaufnahme für das Maschinenbaugeschäft, nicht für unaufgeforderte Werbeanrufe.
  • Beispiel 3 (Möglicherweise erlaubt – aber hohes Risiko!): Stellen Sie sich vor, eine kritische und weithin bekannte Sicherheitslücke (wie damals „Log4j“) wird in einer Server-Software entdeckt. Ihr Unternehmen ist auf die Schließung genau dieser Lücke spezialisiert. Sie rufen nun ein Softwarehaus an, von dem Sie aus dessen öffentlichen Stellenanzeigen wissen, dass es genau diese Technologie einsetzt. Hier könnte ein Gericht eine mutmaßliche Einwilligung annehmen. Der Grund: Es gibt einen konkreten, dringenden und sicherheitsrelevanten Anlass, und die angebotene Dienstleistung betrifft direkt das Kerngeschäft (die Sicherheit der eigenen Produkte) des angerufenen Unternehmens in einer akuten Gefahrenlage. Aber Vorsicht: Dies ist ein absoluter Ausnahmefall und keine Einladung zur Kaltakquise! Die Beweislast, dass all diese speziellen Umstände vorlagen, liegt bei Ihnen.

Fazit: Ohne eine vorherige, nachweisbare und ausdrückliche Einwilligung ist der B2B-Kaltanruf ein unkalkulierbares Risiko. Punkt.

Digitale Kanäle (E-Mail, Social Media, Messenger, Chat): Die strenge Herrschaft des „Opt-In“

Okay, wenn das Telefon tabu ist, wie sieht es mit den digitalen Kanälen aus? Die Antwort ist brutal einfach und technologisch neutral: Es gelten überall dieselben strengen Regeln.

Die deutsche Rechtsprechung legt den Begriff der „elektronischen Post“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG bewusst weit aus. Darunter fällt nicht nur die klassische E-Mail, sondern jede Form der individualisierten elektronischen Nachricht. Die Konsequenz ist eindeutig: Werbung auf diesen Kanälen ist immer verboten, es sei denn, Sie haben eine ausdrückliche und nachweisbare Einwilligung des Empfängers.

Schauen wir uns die einzelnen Kanäle genauer an:

  • E-Mail und Direktnachrichten (LinkedIn, XING, Facebook):
    • Die Regel: Kein Unterschied zur E-Mail. Auch die Vernetzung mit einer Person auf einer Business-Plattform ist keine Werbeeinwilligung. Das Versenden einer unaufgeforderten Werbenachricht ist illegal.
    • Beispiel 1 (Verboten): Sie vernetzen sich mit einem Geschäftsführer auf LinkedIn und schicken ihm direkt im Anschluss eine Werbenachricht für Ihr Produkt. Illegal! Das haben Gerichte wie das OLG Hamm bereits bestätigt.
    • Beispiel 2 – Der „Klassiker“ (Doppelt verboten): Sie senden eine Kontaktanfrage auf LinkedIn. Nach der Annahme schreiben Sie: „Guten Tag Herr Mustermann, haben Sie aktuell freie Kapazitäten?“ Sobald eine Antwort kommt, folgt der eigentliche Pitch: „Wie wäre es, wenn Kunden direkt zu Ihnen kämen? Mit meiner patentierten Methode…“
      Diese Vorgehensweise ist nicht nur plump, sondern gleich doppelt rechtswidrig. Erstens ist die zweite Nachricht klar unzulässige Werbung ohne Einwilligung. Zweitens ist die erste Frage nach „freien Kapazitäten“ eine Irreführung. Sie verschleiert den kommerziellen Zweck der Kontaktaufnahme und täuscht ein konkretes Geschäftsinteresse vor, das gar nicht existiert. Das kann als eigenständiger Wettbewerbsverstoß nach § 5a UWG gewertet werden.
  • Messenger-Dienste (WhatsApp, Telegram):
    • Die Regel: Auch hier handelt es sich um „elektronische Post“. Ohne vorheriges Opt-In ist jede werbliche Ansprache tabu. Bei WhatsApp kommen gravierende datenschutzrechtliche Bedenken hinzu, da die App in der Regel das gesamte Adressbuch mit den Servern von Meta abgleicht, was eine unzulässige Datenübermittlung Dritter sein kann.
    • Beispiel (Verboten): Sie finden die Handynummer eines Geschäftsführers im Impressum und schicken ihm eine Werbenachricht per WhatsApp. Doppelt illegal! Sie verstoßen sowohl gegen das UWG als auch potenziell massiv gegen die DSGVO.
  • Proaktive Website-Chats:
    • Die Regel: Wenn ein Besucher Ihrer Website Sie von sich aus anschreibt, ist alles in Ordnung (reaktiver Chat). Wenn aber ein Chat-Fenster automatisch aufpoppt und den Nutzer mit einer werblichen Frage anspricht („Hallo! Suchen Sie nach einer Lösung für XY? Ich kann Ihnen helfen!“), ist das eine unaufgeforderte werbliche Ansprache. Auch hierfür benötigen Sie eine vorherige Einwilligung, die z.B. über ein Cookie-Consent-Banner eingeholt werden könnte.
    • Beispiel (Verboten): Ein Nutzer besucht Ihre Produktseite. Nach 10 Sekunden poppt ein Chatfenster auf mit der Nachricht: „Interessieren Sie sich für unser Produkt? Ich kann Ihnen sofort ein individuelles Angebot erstellen.“ Ohne vorherige Zustimmung ist das eine unzulässige Belästigung.
  • Der einzige erlaubte Weg (für alle digitalen Kanäle):
    • Beispiel (Erlaubt): Ein Interessent lädt auf Ihrer Webseite ein Whitepaper herunter und setzt dabei aktiv ein Häkchen (wichtig: nicht vorangekreuzt!) bei: „Ja, ich möchte per E-Mail und Messenger über ähnliche Angebote informiert werden“. Das ist ein sauberes Opt-In. Um es rechtssicher nachweisen zu können, sollten Sie hier immer auf das Double-Opt-In-Verfahren setzen.

Eine kleine, aber feine Ausnahme gibt es: die Werbung gegenüber Bestandskunden nach § 7 Abs. 3 UWG. Sie dürfen einem Kunden ohne extra Einwilligung eine Werbe-E-Mail schicken, wenn alle vier dieser Punkte erfüllt sind:

  1. Sie haben seine E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit einem Verkauf erhalten.
  2. Sie werben nur für eigene, ähnliche Produkte oder Dienstleistungen.
  3. Der Kunde hat der Nutzung nicht widersprochen.
  4. Sie haben ihn bei der Erhebung der Adresse und in jeder Mail klar auf sein Widerspruchsrecht (z.B. per Abmeldelink) hingewiesen.

Beispiel: Ein Kunde hat bei Ihnen Bürostühle gekauft. Sie dürfen ihm nun eine E-Mail mit einem Angebot für höhenverstellbare Schreibtische schicken (ähnliches Produkt), aber nicht für Ihre neue Softwarelösung (nicht ähnlich). Jede Mail braucht diesen verdammten Abmeldelink.

Die „Old-School“-Methoden: Wo die Kaltakquise noch lebt

Gibt es denn gar keine Kanäle mehr für die klassische Kaltakquise? Doch, die gibt es. Sie fühlen sich nur etwas an wie aus einem vergangenen Jahrhundert.

  • Briefwerbung (Post):
    • Die Grenzen: Die Erlaubnis endet, wo der erkennbare Wille des Empfängers beginnt. Ignorieren Sie einen direkten Widerspruch des Unternehmens oder Einträge in der Robinsonliste, wird die Werbung unzulässig und kann abgemahnt werden.
    • Beispiel: Sie schicken einem Unternehmen einen hochwertigen Werbebrief. Das ist okay. Antwortet das Unternehmen aber, es wünsche keine weitere Post, müssen Sie diesen Kontakt sofort auf eine interne Sperrliste setzen.
  • Vertreterbesuch:
    • Was ist erlaubt? Ja, auch der unangekündigte Besuch Ihres Außendienstes bei einem Unternehmen ist grundsätzlich erlaubt.
    • Die Grenzen: Das Hausrecht. Ein Schild „Keine Vertreter“ ist eine klare Ansage. Eine mündliche Aufforderung, zu gehen, ist Gesetz. Wer sich widersetzt oder penetrant wiederkommt, handelt wettbewerbswidrig.
    • Beispiel: Ihr Außendienstmitarbeiter besucht unangemeldet ein Unternehmen. Der Empfang bittet ihn höflich, zu gehen. Er muss das Gelände sofort verlassen. Ein erneuter Versuch in derselben Woche wäre eine unzumutbare Belästigung.

Wenn es schiefgeht: Diese Strafen drohen wirklich

Und damit wären wir bei der Frage, die wirklich wehtut: Was passiert, wenn Sie die Regeln ignorieren? Die Konsequenzen sind alles andere als trivial.

  1. Zivilrecht (Die schnellen, teuren Abmahnungen):
    1. Wer kann abmahnen? Das betroffene Unternehmen, jeder Mitbewerber und Verbände wie die Wettbewerbszentrale.
    1. Was kostet das? Zuerst einmal die Anwaltskosten, die oft im vierstelligen Bereich liegen. Viel schlimmer ist aber die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung. Damit verpflichten Sie sich, bei jedem weiteren Verstoß eine saftige Vertragsstrafe (z.B. 5.000 €) zu zahlen.
    1. Beispiel: Sie haben eine unzulässige Werbe-E-Mail verschickt. Der Empfänger beauftragt einen Anwalt. Sie erhalten eine Rechnung über 1.500 € und die Aufforderung, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben.
  2. Behördliche Bußgelder (Die existenzbedrohenden Summen):
    1. Die Bundesnetzagentur ist zwar primär für Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern zuständig, verhängt hier aber regelmäßig Bußgelder bis zu 300.000 €.
    1. Die eigentliche Gefahr für Sie im B2B-Bereich kommt von den Datenschutzbehörden. Jeder unerlaubte Anruf und jede unerlaubte E-Mail ist zugleich eine Datenverarbeitung ohne Rechtsgrundlage – ein klarer DSGVO-Verstoß.
    1. Die Strafen: Der Bußgeldrahmen der DSGVO (Art. 83) ist astronomisch: bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des weltweiten Jahresumsatzes.
    1. Beispiel: Ihr Vertriebsteam hat systematisch Kaltanrufe im B2B-Bereich ohne Einwilligung durchgeführt. Ein verärgerter Empfänger meldet dies dem Landesdatenschutzbeauftragten. Es droht ein Bußgeld, das Ihr Unternehmen ernsthaft in Gefahr bringen kann.

Fazit & Handlungsempfehlung: Sicher akquirieren in 2025

Kurzum: Die Zeiten des „einfach mal durchtelefonierens“ sind im B2B-Vertrieb endgültig vorbei. Die telefonische Kaltakquise ist ein Hochrisikospiel, das Sie verlieren werden. Jede Form der elektronischen Akquise – von E-Mail bis LinkedIn – erfordert eine aktive und nachweisbare Einwilligung (Opt-In). Lediglich die klassische Briefpost und der persönliche Vertreterbesuch bleiben als Kanäle für die echte Kaltakquise übrig, haben aber ebenfalls klare Grenzen.

Die strategische Konsequenz kann nur lauten: Weg von der reinen Outbound-Kaltakquise, hin zum Inbound- und Permission-Marketing!

Anstatt potenziellen Kunden hinterherzulaufen, sorgen Sie dafür, dass sie zu Ihnen kommen. Erstellen Sie wertvolle Inhalte, optimieren Sie Ihre Webseite für Suchmaschinen, bieten Sie Webinare an und generieren Sie so qualifizierte Leads. Im Zuge dieses Prozesses können Sie sich dann auf saubere und rechtssichere Weise die Einwilligung für den weiteren Dialog holen. Das ist zwar anstrengender, aber nachhaltiger und vor allem: Es schützt Sie vor teuren Fehlern.

Disclaimer: Dieser Artikel wurde nicht durch einen Juristen verfasst. Er dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Die Rechtslage kann sich ändern, und für eine verbindliche Beurteilung Ihrer spezifischen Situation sollten Sie immer einen spezialisierten Anwalt konsultieren.

  • This article is super helpful! It clearly explains the strict rules around B2B cold outreach in Germany, making me realize how risky it is without consent. Great for anyone avoiding legal trouble!

  • {"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

    Und? Habe ich Ihr Interesse geweckt?

    >