7. September 2025

0 Kommentare

Menschlicher Texter oder ChatGPT & Co? – Beides!

„Texter? Brauchen wir nicht mehr! Wir schreiben wir jetzt mit ChatGPT!“

Diesen Satz habe ich in den vergangenen zwölf Monaten öfter gehört, als mir lieb ist. Meist gefolgt von einem triumphierenden Grinsen des Gegenübers, als hätte man gerade das Perpetuum Mobile erfunden. Die AI-Bros prahlten, die Controller träumten von Kosteneinsparungen, und alle waren fasziniert davon, dass die Kiste auf dem Schreibtisch plötzlich Texte ausspuckte, die nicht nur grammatikalisch korrekt waren, sondern sogar halbwegs lesbar.

Inzwischen erlebe ich allerdings vermehrt die Rolle rückwärts. „Können Sie mal drüberschauen? Die KI hat da was geschrieben, aber irgendwie…“ Ja, irgendwie. Die KI halluziniert munter vor sich hin, füllt Wissenslücken nach purer Wahrscheinlichkeit und benimmt sich dabei wie der Streber, der lieber Quatsch erzählt, als zuzugeben, dass er etwas nicht weiß. Hauptsache, der Nutzer ist happy. Bloß keine dummen Nachfragen stellen. Aber das ist noch nicht mal das Schlimmste.

Das wirklich Schmerzhafte für die Unternehmen: Der KI-Output „performt“ nicht. Die Leads bleiben aus, die Conversion-Rate dümpelt im Keller, und die Sales-Abteilung fragt, ob man nicht doch wieder … na ja, Sie wissen schon. Also zurück zum menschlichen Texter. Mit Preisaufschlag, versteht sich. Und die KI? In die Mülltonne?

Die falsche Dichotomie

Nein! Halt! „Menschlicher Texter“ versus „KI“ – das ist eine falsche Dichotomie. Sie basiert auf einem fundamentalen Missverständnis davon, was Texter eigentlich genau machen. Spoiler: Es ist weit mehr als „Wörter nach Vorgabe aneinanderreihen“.

Wer sich die Führungsebenen von Agenturen ansieht, wird schnell feststellen: Sehr viele Führungskräfte aus dem kreativen Bereich haben ihre Karriere als Texter begonnen, nicht als visuelle Designer. Warum? Unter anderem, weil Texten strategisches Denken erfordert. Aber der Reihe nach.

Was Texter wirklich tun (und KI nicht kann)

Texter sind Strategen

Spätestens als Senior-Texter oder Creative Director Text ist man federführend an der Entwicklung von Kommunikationsstrategien beteiligt. Man legt die Regeln fest, nach denen ein Unternehmen spricht, definiert die Tonalität einer Kampagne und bestimmt die Metriken für die Erfolgsmessung. Das ist ungefähr so, als würde man von ChatGPT erwarten, nicht nur die Spielzüge zu machen, sondern auch die Spielregeln zu erfinden und gleichzeitig Schiedsrichter zu sein.

Texter sind Forscher und Rechercheure

Vor dem Schreiben steht die Recherche. Und damit meine ich nicht „mal schnell googeln“. Ich spreche von Werksrundgängen, stundenlangen Interviews mit Stakeholdern, dem Durchwühlen von technischen Dokumentationen und dem Verstehen komplexer Zusammenhänge.

Dieses Wissen muss dann so aufbereitet werden, dass es nicht nur als Basis für die eigenen Texte dient, sondern auch Grafiker, Designer und Account Manager damit arbeiten können. Versuchen Sie mal, ChatGPT auf einen Werksrundgang zu schicken. Viel Erfolg!

Texter sind Kommunikatoren

Ein erheblicher Teil meiner Arbeit besteht darin, zwischen verschiedenen Welten zu übersetzen: Ingenieure sprechen eine andere Sprache als Marketingleute, der CEO tickt anders als die Zielgruppe, und der Designer versteht unter „knackig“ etwas anderes als der Vertrieb.

Als Texter bin ich der Dolmetscher in diesem babylonischen Sprachgewirr. Ich sorge dafür, dass alle auf dem gleichen Level sind und jeder hat, was er braucht. Eine KI kann das nicht – sie hat ja noch nicht mal Ohren zum Zuhören.

Texter sind Brückenbauer

Hier wird’s interessant: Unternehmen verkaufen Produkte, ihre Kunden kaufen aber Problemlösungen. Hier die Brücke zu schlagen, ist die Kernaufgabe guter Kommunikation.

Drei Beispiele gefällig?

  1. Der Hersteller verkauft eine „Industrie 4.0-kompatible Fertigungsstraße mit KI-gestützter Predictive Maintenance“. Der Kunde kauft: „Nie wieder ungeplante Stillstände“.
  2. Das Software-Unternehmen verkauft eine „Cloud-basierte ERP-Lösung mit modularem Aufbau“. Der Mittelständler kauft: „Endlich Durchblick in meinem Laden“.
  3. Der Energieversorger verkauft „dynamische Stromtarife mit Smart-Meter-Integration“. Familie Müller kauft: „Wäsche waschen, wenn’s günstig ist“.

Diese Übersetzungsleistung erfordert tiefes Verständnis beider Seiten. Und genau das kann KI nicht leisten, weil sie weder die Schweißperlen auf der Stirn des Produktionsleiters kennt noch die schlaflosen Nächte des Geschäftsführers.

Texter sind Geschichtenerzähler

Menschen lernen durch Geschichten. Geschichten überzeugen. Selbst die simpelste Story funktioniert nach dem gleichen Muster: Kunde hat Problem. Problem verhindert Erfolg. Unternehmen bietet Lösung. Problem behoben. Kunde sieht Erfolg.

Klingt banal? Ist es auch. Aber versuchen Sie mal, diese Geschichte so zu erzählen, dass der Kunde sich selbst als Held fühlt und Ihr Produkt „nur“ der entscheidende Helfer ist. Das ist die hohe Kunst des Storytellings – und die beherrscht keine KI, die auf Wahrscheinlichkeiten und historischen Daten basiert.

Texter sind (Proto-)Designer

„Achtung, es designt der Texter!“ Dieser Running Gag hat einen wahren Kern. Metaphern, auch visuelle, entstehen oft am Schreibtisch des Texters. Moodboards, Kampagnenideen, Gestaltungsvorschläge – all das liefern wir mit, wenn auch augenzwinkernd: „Lieber Designer, du verstehst, was ich meine. Jetzt bist du am Zug.“

Im Idealfall entsteht eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Nicht umsonst gibt es Texter-Designer-Gespanne, die man durchaus als Arbeitsehe bezeichnen kann (und die gar nicht so selten in einer richtigen Ehe münden). Diese kreative Symbiose, dieses Ideen-Pingpong, dieses gemeinsame Ringen um die perfekte Lösung – all das bleibt der KI verschlossen.

Wo KI wirklich helfen kann

Moment mal, werden Sie jetzt sagen, das klingt ja alles nach „KI ist doof und kann nix“. So ist es nicht gemeint. KI kann ein verdammt wertvolles Werkzeug sein – wenn man sie richtig einsetzt.

Recherche-Assistent

Kürzlich hatte ich einen dieser typischen Aufträge: „Verwandeln Sie diese 100 Seiten PDF in das Skript zu einem dreiminütigen Imagefilm. Möglichst bis morgen früh.“ ChatGPT hat das PDF eingelesen (nachdem ich die Erlaubnis hatte – Copyright und NDAs beachten!), zusammengefasst und mir ermöglicht, das Material unter allen möglichen Aspekten zu befragen und zu durchleuchten. Das hat mir Stunden erspart. Und auch Geminis Deep Research Option hat mir schon so manches Paper zusammengestellt, das mir einen guten Überblick über ein Themengebiet gab – allerdings gilt auch hier die journalistische Regel: Für jede Behauptung wenigstens zwei unabhängige Belege.

Der digitale Moodboard-Ersteller

Wenn es darum geht, visuelle Ideen zu testen, sind Bild- und Videogeneratoren Gold wert. „Zeig mir mal 20 verschiedene Interpretationen von ‚Innovation im Mittelstand‘.“ Oder: „Familie Meier nutzt flexible Stromtarife. Zeig mir mal ein paar Illustrationsideen.“ Zack, habe ich Diskussionsgrundlagen für das nächste Meeting. Die sind zwar nicht direkt verwendbar und werden wahrscheinlich verworfen. Aber sie sind ein Anfang. Und der ist in Brainstorming-Prozessen entscheidender als die bereits perfekte Idee.

Kommunikations-Optimierer

KI hilft mir, Briefings auf Vollständigkeit zu überprüfen, E-Mails zu strukturieren und sicherzustellen, dass ich nichts Wichtiges vergessen habe – ein sehr pedantischer Assistent, der nie müde wird.

Der Sparringspartner

„Claude, gib mir mal 20 Metaphern für digitale Transformation“ – nicht, weil ich keine eigenen Ideen hätte, sondern um das eigene Hirn anzukurbeln. Oder noch besser: „Sei jetzt mal mein schlimmster Kritiker und zerlege diesen Text.“ Dieses Red-Team-Lektorat hilft, Denkfehler auszumerzen, bevor sie den Kunden erreichen.

Und nicht zuletzt der Scribbler

Die Informationen und Botschaften sind in die richtige Struktur gebracht. Wie wäre es, wenn wir die KI einfach mal einen ersten Entwurf schreiben lassen? So lassen sich Schwächen sehr schnell erkennen. Übrigens: Auch dieser Artikel begann als Draft auf Basis einer von mir vorgegebenen Struktur. Das war hilfreich. Inzwischen ist allerdings von dem KI-Text kaum noch etwas übrig geblieben. Sagen Sie Claude aber bitte nichts davon.

Was bleibt, was kommt

Die Rolle rückwärts vieler Unternehmen zeigt: Der Texter als Beruf hat noch lange nicht ausgedient. Im Gegenteil. Die Nachfrage nach echten Textern – also jenen, die all das können, was ich oben beschrieben habe – steigt wieder.

Auf der Strecke bleiben werden jene, die bisher Texte für wenige Cent pro Wort über Textbörsen oder Plattformen wie Upwork geschrieben haben. Dieser Markt wird tatsächlich von KI kannibalisiert. Brutal, aber wahr.

Gewinnen werden jene, die:

  • Sich auf ihre wahren Tugenden besinnen (Strategie, Empathie, Kreativität)
  • An ihren weiterreichenden Skills arbeiten (von Projektmanagement bis Psychologie)
  • Mit der Zeit gehen – denn um KI kommt keiner herum

Richtig eingesetzt, erleichtern KI-Tools die Arbeit und schaffen Freiraum für das, was wirklich zählt: qualitativ hochwertige, strategisch durchdachte, emotional resonante Texte, die verkaufen.

Fazit: Die Zukunft ist hybrid

Die Zukunft gehört nicht der KI allein, und auch nicht den Textern, die KI verteufeln. Sie gehört jenen, die verstehen, dass KI ein Werkzeug ist – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ein verdammt mächtiges Werkzeug, zugegeben. Aber eben nur ein Werkzeug.

Der Hammer hat den Zimmermann auch nicht ersetzt. Er hat ihm nur geholfen, bessere Häuser zu bauen. Genauso wird es mit KI und Textern sein. Und am Ende profitieren alle: Die Unternehmen bekommen bessere Texte, die Texter arbeiten effizienter, und die Leser… nun ja, die müssen sich hoffentlich durch weniger Marketingblabla quälen.

Also packen wir es an! Die Zukunft des Textens hat gerade erst begonnen.


Liebe Text-Kolleg:innen, was sind eure Erfahrungen? Habt ihr die Rolle rückwärts auch schon erlebt? Ich freue mich auf eure Gedanken in den Kommentaren!

Liebe Unternehmens-Vertreter:innen, falls Sie gerade feststellen, dass Ihre KI-Texte doch nicht so performen wie erhofft: Sie wissen ja, wo Sie mich finden. Mit über 25 Jahren Erfahrung als B2B-Texter helfe ich Ihnen gerne, die Brücke zwischen Ihrem Produkt und Ihren Kunden zu bauen. Mit oder ohne KI-Unterstützung.

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Und? Habe ich Ihr Interesse geweckt?

>