29. September 2025

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Die Liebesfalle auf LinkedIn

Vom Wellness-Hotel zum Crypto-Betrug

Das Business-Netzwerk LinkedIn gilt als seriöse Plattform für Karriere, Networking und Fachaustausch. Doch genau diese Aura der Professionalität machen sich Betrüger zunutze, um mit einer perfiden Masche an das Geld und die Daten ihrer Opfer zu gelangen: dem Romance Scam. Eine persönliche Erfahrung zeigt, wie raffiniert die Täter vorgehen und woran man sie erkennt.

1. Professionelle Fassade, perfider Plan: Ein Erfahrungsbericht

Alles begann mit einer vielversprechenden Kontaktanfrage. Eine französische Geschäftsfrau, laut Profil in der Hotelbranche tätig, meldete sich bei mir. Der Anlass klang plausibel und professionell: Sie suche einen möglichen Standort für ein neues Wellness-Hotel in Deutschland, genauer gesagt im Rhein-Main-Gebiet, und bat um meine Einschätzung. Da ich die Branche als Kunde gut kenne, willigte ich ein, ein paar Fragen zu beantworten.

Was folgte, war ein Austausch in ausgezeichnetem Deutsch. Auf mein Kompliment für ihre Sprachkenntnisse hatte sie eine entwaffnend ehrliche und moderne Erwiderung parat: Sie nutze ChatGPT, um ihre Formulierungen zu perfektionieren. Fair enough, dachte ich. Ein cleverer Schachzug, der gleichzeitig jedes spätere sprachliche Holpern im Keim erstickt hätte.

Doch die Unterhaltung nahm eine unerwartete Wendung. Das Geschäftliche trat in den Hintergrund, es wurde persönlicher. Sie fragte nach meinen Büchern, gab vor, selbst gerne zu lesen. Meine Neugier war geweckt, mein Misstrauen aber auch. Auf die einfache Frage, welches Buch denn gerade auf ihrem Nachttisch liege, kam nur eine ausweichende, allgemeine Antwort. Das war der erste Riss in der perfekten Fassade.

Kurz darauf folgte der entscheidende Satz, der bei jedem Kenner von Online-Betrugsmaschen die Alarmglocken schrillen lässt: »Hey, lass uns doch auf WhatsApp wechseln, um uns persönlicher zu unterhalten.« Der Wendepunkt war erreicht. Von da an war klar: Hier ging es nicht um ein Hotel, sondern um den klassischen »Romance Scam«, der in diesem Fall auf die berüchtigte »Pig Butchering«-Methode abzielte – das langsame Anfüttern des Opfers, um es am Ende mit Krypto-Investments auszunehmen.

2. Das Business-Netzwerk als Jagdrevier

Man kennt Romance Scams von Instagram, Facebook und natürlich von Dating-Apps. Aber LinkedIn? Das scheint auf den ersten Blick unlogisch, ist bei genauerem Hinsehen aber der perfekte Nährboden für diese Art von Betrug.

  • Die Illusion der Seriosität: Ein vollständiges Profil mit beruflichem Werdegang, einer dreistelligen Anzahl von Kontakten und einer seriösen Jobbezeichnung schafft eine unglaublich glaubwürdige Fassade. LinkedIn ist ein Ort des Vertrauens – und genau das nutzen die Scammer aus.
  • Die Informationsgoldgrube: Kein anderes Netzwerk verrät so viel über den beruflichen Status, die Branche und die Interessen potenzieller Opfer. Diese Informationen ermöglichen es den Tätern, ihre Ansprache hochgradig zu personalisieren und passgenaue Geschichten zu erfinden.
  • Die gesenkte Wachsamkeit: Auf einer Business-Plattform erwarten die meisten Nutzer geschäftliche Anfragen, keine Avancen. Die emotionale »Firewall« ist deutlich niedriger als auf einer Dating-Plattform, wo man von vornherein skeptischer ist. Insbesondere Männer, die auf LinkedIn deutlich seltener unangemessene private Nachrichten erhalten als Frauen, wiegen sich schnell in Sicherheit.

3. Die Anatomie eines LinkedIn-Scams: 6 typische Warnsignale

Meine Erfahrung ist kein Einzelfall. Die Muster wiederholen sich. Achten Sie auf diese roten Flaggen, die darauf hindeuten, dass etwas nicht stimmt:

  • Rote Flagge 1: Der schnelle Wechsel ins Private: Das Gespräch entfernt sich auffällig schnell vom ursprünglichen, geschäftlichen Anlass. Plötzlich geht es um Hobbys, den Beziehungsstatus und Träume.
  • Rote Flagge 2: Der Drang zum Plattformwechsel: Die Aufforderung, auf private Messenger wie WhatsApp oder Telegram umzuziehen, ist ein klares Warnsignal. Ziel ist es, die Konversation aus dem kontrollierten Raum von LinkedIn herauszuholen.
  • Rote Flagge 3: Inkonsistenzen und vage Antworten: Auf konkrete Fragen kommen nur allgemeine Floskeln. Der Scammer imitiert mit Hilfe von KI zwar eine persönliche Unterhaltung, kann aber keine echten, detaillierten Antworten geben, wie das Beispiel mit dem Buch auf dem Nachttisch zeigt.
  • Rote Flagge 4: Die Foto-Falle: Das Profilbild ist oft gestohlen. Bitten Sie um weitere Fotos. In meinem Fall zeigten die zugesandten Bilder zwar eine ähnliche, aber eindeutig andere Person. Praxistipp: Nutzen Sie die umgekehrte Bildersuche (z.B. mit Bing oder TinEye). Ziehen Sie das Bild einfach in die Suchleiste. So konnte ich das Profilbild einem anderen LinkedIn-Account und die weiteren Fotos einem Instagram-Profil zuordnen.
  • Rote Flagge 5: Das Thema Geld: Früher oder später mündet jede Konversation in das Thema Geld. Oft wird eine emotionale Notlage vorgetäuscht oder, wie beim »Pig Butchering«, die Chance auf ein unglaublich lukratives (meist Krypto-) Investment in Aussicht gestellt.
  • Rote Flagge 6: Das »perfekte«, aber gekaperte Profil: Das Profil wirkt auf den ersten Blick makellos: viele Kontakte, ein lückenloser Lebenslauf. Lassen Sie sich davon nicht täuschen. Oft handelt es sich um gehackte Profile, die für die Betrugsmasche angepasst wurden. Ein entscheidendes Warnsignal ist die fehlende Interaktion: Wann gab es die letzten Beiträge oder Kommentare? Liegen diese schon eine Weile zurück oder fehlen sie komplett, ist höchste Vorsicht geboten.

Tipp: Googeln Sie den Namen. Finden Sie einen zweiten Kontaktkanal (z.B. eine persönliche Webseite oder ein XING-Profil), versuchen Sie, die Person dort zu kontaktieren. Womöglich weiß sie noch gar nichts von ihrem »Glück« und Sie können helfen, den Missbrauch zu stoppen.

4. Erste Hilfe: Wie Sie sich wehren und andere schützen können

Wenn Sie den Verdacht haben, es mit einem Scammer zu tun zu haben, ist es wichtig, richtig zu handeln.

  • Schritt 1: Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl: Wenn sich eine Interaktion seltsam oder zu gut, um wahr zu sein, anfühlt, dann ist sie es meistens auch. Brechen Sie den Kontakt ab.
  • Schritt 2: Beweise sichern: Machen Sie Screenshots vom Profil des Scammers und von den entscheidenden Passagen im Chatverlauf, bevor das Profil möglicherweise verschwindet.
  • Schritt 3: Kommunikation abbrechen: Blockieren Sie die Person auf LinkedIn und auf dem Messenger-Dienst. Gehen Sie auf keine weiteren Diskussionen oder Vorwürfe ein.
  • Schritt 4: Melden, Melden, Melden: Das Wichtigste ist, das Profil bei LinkedIn als Betrugsversuch zu melden. Das Gleiche gilt für die Handynummer bei WhatsApp. Nur so können die Plattformen reagieren. In meinem Fall war das gemeldete Profil nach zwei Wochen verschwunden.
  • Schritt 5: Niemals Geld überweisen: Die goldene Regel lautet: Überweisen Sie niemals Geld an eine Person, die Sie nur online kennengelernt haben, und teilen Sie keine sensiblen Finanz- oder persönlichen Daten.

5. Fazit: Wachsam bleiben, aber nicht paranoid werden

LinkedIn bleibt ein unschätzbar wertvolles Werkzeug für die berufliche Vernetzung. Die hier beschriebene Masche sollte nicht dazu führen, die Plattform paranoid zu meiden. Sie sollte uns aber daran erinnern, dass kein digitaler Raum völlig sicher ist.

Kombinieren Sie Ihre professionelle Neugierde mit einer gesunden Portion Misstrauen. Echte Geschäftsbeziehungen – genau wie echte persönliche Beziehungen – brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Alles, was sich überstürzt und zu perfekt anfühlt, sollte mit Vorsicht genossen werden. Bleiben Sie wachsam.

Ein Blick in die Zukunft: Betrüger rüsten auf. Die Täter werden ihre Methoden weiter verfeinern. Zukünftig könnten KI-gesteuerte Agenten die Chats noch überzeugender und persönlicher führen. Auch die Foto-Falle wird anspruchsvoller: KI kann heute schon fotorealistische Bilder von fiktiven Personen generieren, die durch eine Rückwärts-Bildersuche nicht mehr zu entlarven sind. Umso wichtiger wird es, auf die Muster und roten Flaggen im Gesprächsverlauf selbst zu achten.

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Und? Habe ich Ihr Interesse geweckt?

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