Was sind eigentlich schlechte Bücher?
Die Geschmacks-Relativisten werden mich jetzt hassen: Ja, es gibt objektiv schlechte Bücher. Nicht alles lässt sich mit unterschiedlichen Geschmäckern erklären.
Schlechte Bücher sind zum Beispiel jene, die falsche Informationen verbreiten – auch wenn sie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens noch als unantastbare Standardwerke galten. Beispiel hierfür sind nicht nur die zahlreichen Rassenlehren aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern beispielsweise auch jene noch immer durch das Internet geisternden Studie zu einem eigentlich völlig unkontroversen medizinischen Thema, deren Autor fröhlich Forschungsergebnisse gefälscht und so eine massive Welle der medizinischen Fehlentscheidungen verursacht hat, die bis heute anhält.
Schlechte Bücher sind aber auch jene, die Weltbilder oder Pseudowissen verbreiten, die gesellschaftlich schädlich sind – wie etwa die Wälzer jener russisch-amerikanischen Philosophin, deren Theorien vom Eigennutz sowie von Leistungsträgern und Massenmenschen eigentlich sehr nah an der faschistischen Ausprägung des von ihr so verhassten Marxismus sind.
Aber über diese objektiv schlechten Bücher möchte ich an dieser Stelle eigentlich gar nicht sprechen.
Sondern über jene Bücher, die wir in unserem Ohrensessel, bei der Bettlektüre oder auch am Schreibtisch subjektiv als schlecht empfinden.
Gerade in der fiktionalen Literatur gibt es dabei ein klares Kriterium: Langeweile!
Nun gibt es viele Gründe, warum uns ein Buch langweilt. Sei es, weil uns das Thema nicht interessiert. Sei es, weil es nicht zu unseren bevorzugten Genres gehört. Oder sei es, weil es völlig unoriginell eine schon oft gehörte Geschichte nur minimal variiert erneut erzählt.
Ich denke: Diese Bücher können wir getrost beiseitelegen. Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang, und es lohnt sich einfach nicht, Zeit zu verschwenden.
Wann lohnt sich die Auseinandersetzung mit einem schlechten Buch?
Die Auseinandersetzung mit den objektiv schlechten Büchern, wie ich sie oben aufgeführt habe, kann sich dennoch lohnen: Speziell dann, wenn diese Bücher noch vielfach gelesen oder – im Extremfall – sogar gehypt werden. So ist sicher aus wissenschaftlich-historischer Sicht und zum Verständnis der deutschen Vergangenheit eine angeleitete Lektüre von „Mein Kampf“ durchaus sinnvoll – wenn man sich dieser Aufgabe denn stellen mag. Auch die Lektüre der oben erwähnten Philosophin ist notwendig, wenn man sich beispielsweise mit den aktuellen Entwicklungen in den USA auseinandersetzen möchte, denn viele der Akteure bezeichnen sich als ihre Jünger.
Im fiktionalen Bereich lohnt sich die Auseinandersetzung jedoch nur aus zwei Gründen:
Das Buch ist (unverständlicherweise) unglaublich erfolgreich oder wird von Menschen geschätzt, auf deren Meinung wir Wert legen.
Der Bestsellerautor, der in seinen Thrillern im Internet angelesenes Halbwissen intellektuell verbrämt und sprachlich von Stilblüte zu Stilblüte flattert? Oder jene Autorin, die auf vielen hundert Seiten sexuellen und psychischen Missbrauch verherrlicht? Diese Bücher lohnen ebenso einen analytischen Blick, wie jene, die uns unsere Freunde und Bekannten immer wieder empfehlen.
Im ersteren Fall sollte man sich die Frage stellen: Welcher Zeitgeist findet in diesen Büchern seinen Ausdruck? Welches Bedürfnis wird dort befriedigt? Oder, ganz simpel: Welche Lehren kann ich aus dem Marketing für diese Bücher für meine eigenen Werke ziehen?
Glücklicherweise kann man sich in der Regel die Lektüre des ganzen Buches – oder gar die mehrfache Lektüre – ersparen. Es genügt, sich einen Überblick über den Text zu verschaffen und dann zu schauen, was andere darüber sagen.
Im zweiten Fall sollte man jedoch sich selbst hinterfragen: Bei mir zumindest ist es oft so, dass bei von Freunden und Bekannten empfohlenen Büchern meine eigene Erwartung so hoch ist, dass ich eigentlich nur enttäuscht werden kann. Hier lohnt es sich, etwas Zeit verstreichen zu lassen und dem Buch vielleicht doch noch eine neue Chance zu geben. Auf diese Weise bin ich zum Beispiel süchtig nach den Büchern von Neil Gaiman geworden.
Das Buch enthält eigentlich alle Zutaten für ein gutes, spannendes Buch, aber der Funke springt nicht über.
Jeder kennt dieses Phänomen: Man hat sich einen neuen Krimi, ein neues Buch aus dem bevorzugten Genre gekauft, vielleicht sogar von einem geschätzten oder Lieblingsautor. Cover und Klappentext reißen einen bereits mit. Auch die erste Seite lesen wir mit Begeisterung. Doch dann blättern wir weiter … Und der Funke springt nicht über. Ab Seite 30 fangen wir an, uns ernsthaft zu langweilen.
Auch hier sollten wir natürlich zunächst unsere eigene Erwartungshaltung hinterfragen. Dennoch lohnt sich ein genauer, analytischer Blick, in dem wir versuchen, zu erkunden, warum das Buch nicht funktioniert, speziell, wenn es sich um ein Buch aus dem Genre handelt, in dem wir selber schreiben.
Sind die Charaktere schlecht gezeichnet? Hat der Plot vielleicht Löcher? Gibt es sprachliche Mängel?
Wenn wir schaffen, die Schwächen des Buchs zu identifizieren, sind wir schon 90 % des Wegs zu einer wesentlichen schriftstellerischen Lektion gegangen.