23. September 2025

0 Kommentare

Wenn der Witz zur Staatsaffäre wird

Der Fall Jimmy Kimmel und der lange Arm der FCC

Ein Late-Night-Moderator macht einen Witz, der der Regierung nicht gefällt. Am nächsten Tag trendet der Hashtag #CancelKimmel, der Präsident fordert in einem wütenden Tweet Konsequenzen und droht dem Sender mit dem Entzug der Sendelizenz. Eine absurde Vorstellung? Nicht ganz. Szenen wie diese spielen sich in den USA immer wieder ab und werfen eine beunruhigende Frage auf: Kann ein Präsident in den Vereinigten Staaten einfach so eine kritische Sendung abschalten lassen?

Die öffentliche Debatte dazu ist meist laut, hysterisch und voller Halbwissen. Nehmen wir also die Hysterie raus und schauen uns die Fakten an. Ist die amerikanische Medienaufsicht, die Federal Communications Commission (FCC), das politische Schwert des Präsidenten oder ein zahnloser Tiger? Die Antwort liegt, wie so oft, in einem komplizierten und faszinierenden Dazwischen.

Die FCC – Mehr als nur die Fluchwörter-Polizei

Viele kennen die FCC (Federal Communications Commission) nur als die Behörde, die einschreitet, wenn im amerikanischen Fernsehen zur falschen Zeit geflucht oder zu viel nackte Haut gezeigt wird. Doch ihre Macht ist weitaus größer. Sie verwaltet die öffentlichen Funkfrequenzen – eine knappe und wertvolle Ressource. Ohne eine Lizenz der FCC darf in den USA kein Radio- oder Fernsehsender auf Sendung gehen.

Der entscheidende Punkt für das politische Machtspiel liegt in ihrer Struktur. Die FCC ist eine sogenannte »unabhängige Behörde«, die aber von fünf Kommissaren geleitet wird. Und diese werden vom amtierenden Präsidenten ernannt. Das Gesetz schreibt vor, dass nicht mehr als drei von ihnen derselben Partei angehören dürfen. Das klingt nach Ausgewogenheit, führt in der Praxis aber zu einer vorhersehbaren 3-2-Mehrheit für die Partei des Präsidenten. Die politische Agenda des Weißen Hauses ist somit direkt in der Führungsetage der »unabhängigen« Behörde verankert.

Der magische Hebel, den diese politisierte Führung nutzen kann, ist der sogenannte »Public Interest, Convenience, and Necessity«-Standard. Sender müssen im »öffentlichen Interesse« handeln. Was genau das bedeutet, hat der Kongress 1934 bewusst vage gelassen. Diese Unbestimmtheit gibt der FCC Flexibilität, schafft aber auch eine Grauzone, die politisch ausgenutzt werden kann. Denn was im »öffentlichen Interesse« liegt, definiert am Ende die politisch besetzte Kommissionsmehrheit.

Die Lizenz zum Senden – Und zum Entziehen?

Kann die FCC also einem Sender wie ABC einfach die Lizenz entziehen, weil die Witze von Jimmy Kimmel dem Präsidenten nicht gefallen? Die kurze Antwort ist: Nein.

Die Drohung mit dem Lizenzentzug ist die »Todesstrafe« für einen Sender und wird nur extrem selten und unter strengen Auflagen verhängt. Die tatsächlichen Gründe dafür sind knallhart und haben nichts mit dem Inhalt politischer Kritik zu tun:

  • Vorsätzliche Falschaussagen gegenüber der FCC. Wer die Aufsichtsbehörde anlügt, fliegt raus.
  • Schwerwiegende technische Verstöße, die zum Beispiel den Flugfunk stören könnten.
  • Verurteilungen der Sender-Eigentümer wegen schwerer Straftaten.
  • Eine unerlaubte Übertragung der Sendelizenz ohne Genehmigung.

Kritische Berichterstattung, unliebsame Meinungen oder das, was eine Regierung als »Fake News« bezeichnet, sind explizit kein Grund für einen Lizenzentzug. Davor steht das mächtige Schutzschild des Ersten Verfassungszusatzes, der die Meinungs- und Pressefreiheit schützt.

Zudem gibt es eine wichtige technische Differenzierung: Die FCC lizenziert nur hunderte von einzelnen, lokalen Sendestationen, nicht aber die landesweiten Netzwerke wie NBC, ABC oder CBS. Ein koordinierter Angriff auf ein ganzes Netzwerk wäre ein logistischer und juristischer Alptraum.

Die wahren Waffen: Nadelstiche statt Keulenschläge

Wenn der direkte Lizenzentzug also rechtlich fast unmöglich ist, wie funktioniert der politische Druck dann? Durch subtilere, aber nicht weniger wirksame Methoden, die in einer rechtlichen Grauzone operieren.

  1. »Jawboning« – Die Macht der öffentlichen Drohung: Der Begriff »Jawboning« (wörtlich: mit dem Kieferknochen bearbeiten) beschreibt den Druck, der durch öffentliche Äußerungen von hochrangigen Politikern entsteht. Tweets des Präsidenten oder Interviews des FCC-Vorsitzenden, in denen die Lizenzen eines Senders infrage gestellt werden, sind solche Drohungen. Sie sind rechtlich oft haltlos, senden aber eine klare Botschaft an die Vorstandsetagen der Medienkonzerne: »Passt auf, sonst machen wir euch das Leben schwer.« Dies erzeugt einen »chilling effect«, einen Abschreckungseffekt, der zu vorauseilendem Gehorsam und Selbstzensur führen kann.
  2. Strategische Untersuchungen: Ein politisch loyaler FCC-Vorsitzender kann das Ermittlungsbüro anweisen, Untersuchungen gegen einen unliebsamen Sender einzuleiten. Vordergründig geht es vielleicht um geringfügige Regelverstöße, doch der eigentliche Zweck ist es, das Unternehmen mit bürokratischem Aufwand zu belästigen, Ressourcen zu binden und ein Klima der Einschüchterung zu schaffen. Der Prozess wird zur Strafe, egal was am Ende dabei herauskommt.
  3. Der stärkste Hebel – Blockade von Fusionen: Große Medienkonzerne sind Wirtschaftsunternehmen. Für milliardenschwere Fusionen und Übernahmen brauchen sie die Genehmigung der FCC. Hier kann ein Vorsitzender informell signalisieren, dass die Zustimmung für einen wichtigen Deal auf der Kippe stehen könnte, wenn die Nachrichtenabteilung des Konzerns ihre kritische Haltung nicht mäßigt. So wird eine legitime wirtschaftliche Regulierung mit einem illegitimen politischen Ziel verknüpft.

Fazit & Ausblick

Die direkte Drohung mit dem Lizenzentzug wegen unliebsamer Berichterstattung ist in den USA also größtenteils ein Bluff. Die Verfassung und die Gesetze setzen hier klare Grenzen. Die reale Gefahr für die Pressefreiheit liegt im indirekten, atmosphärischen Druck durch regulatorische Unsicherheit.

Das ist die Lage in einem zentralisierten System mit einer politisch durchdrungenen Aufsichtsbehörde. Aber bei uns in Deutschland ist doch alles anders, oder? Wir haben doch das Prinzip der »Staatsferne« und einen föderalen Medienaufbau. Das schützt uns doch, oder etwa nicht? Genau das schauen wir uns in Teil 2 an.

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Und? Habe ich Ihr Interesse geweckt?

>