In vielen Büchern findet sich im Vor- oder Nachwort die Danksagung an den zuständigen Lektor oder die zuständige Lektorin. Und häufig, wenn auch zumeist von der lesenden Öffentlichkeit unbemerkt, bilden Schreibende und Lektorierende langjährige Gespanne. Es soll sogar vorgekommen sein, dass sie geheiratet haben.
Was machen Lektor:innen?
Beginnen wir einmal damit, was Lektor:innen nicht sind: Korrekturleser:innen. Zwar werden sie Rechtschreib-, Grammatik- oder Zeichensetzungsfehler korrigieren, wennsie diese bei der genauen Lektüre seines Textes entdecken. Doch das ist nicht die Hauptaufgabe. Und aus gutem Grund werden im normalen Produktionsprozess Lektorat und Korrektorat voneinander getrennt.
Es sei allerdings hier schon einmal darauf hingewiesen: Es gibt durchaus professionelle Korrekturleser:innen, die sich eigentlich zum Lektoren berufen fühlen, gerne mal ihren Kompetenzbereich überschreiten und meinen, geschmacklich eingreifen zu müssen. Nichts gegen die Korrektur einer übersehenen Stilblüte. Doch das Wegstreichen sämtlicher Schimpfwörter aus einem Text, weil man nichts davon hält, zu fluchen, ist deutlich jenseits des Zulässigen. Wäre es etwa nach einer von mir beschäftigten Korrektorin gegangen, würde der letzte Satz von „WestEnd Blues“ lauten: „Wie schrecklich.“
Aber kommen wir zurück zur Aufgabe von Lektor:innen. Am besten lässt sich diese in vier Fragen formulieren:
- Was will uns der Text sagen?
- Sagt der Text das auch wirklich?
- Wenn nein: Warum nicht?
- Lassen sich diese Probleme beheben? Wenn ja, wie?
Dabei blicken gute Lektor:innen aus allen Perspektiven aus dem Text: Er betrachtet die großen Erzählbögen genauso wie die Details des Storytellings und der Sprache. Manchmal trennt man hier sogar noch, und es gibt zunächst ein inhaltliches Lektorat, dem dann erst das detailliertere sprachliche Lektorat folgt.
Was macht gute Lektor:innen?
Gute Lektor:innen stehen bei ihrer Arbeit im stetigen Dialog mit den Schreibenden. Gemeinsam haben sie sich darauf geeinigt, welche Art von Hilfestellung Letztere sich wünschen. Der eine möchte vielleicht nur Hinweise darauf, wo und warum etwas nicht funktioniert; die andere auf konkrete Vorschläge oder erwartet sogar, dass der Lektor einen Text umschreibt.
Bei all dem steht natürlich die Persönlichkeit und der Stil eines Autors im Mittelpunkt. Zwar werden gute Lektor:innen auf sprachliche Schwachpunkte oder gar Stilblüten hinweisen, aber seine eigentliche Aufgabe ist, den Stil des Textes zu optimieren und nicht, ihm die eigene stilistische Idealvorstellung aufzuzwingen.
Der letzte Punkt ist übrigens ein wesentlicher Grund, weshalb gute Autor:innen nicht immer auch gute Lektor:innen abgeben. Ich nehme mich selbst da nicht aus: Wir neigen dazu, unsere eigenen ästhetischen Vorstellungen auf fremde Texte zu projizieren, anstatt die Ästhetik eines Textes erst einmal zu verstehen. Und genau das ist der Grund, warum ich trotz Nachfragen kein Lektorat als Dienstleistung anbiete.
Das alles bedeutet jedoch nicht, dass einem gute Lektor:innen nach dem Munde reden, im Gegenteil. Ihre wesentliche Aufgabe ist es, die Fehler und Probleme eines Textes aufzuzeigen und mit dem Autor daran zu arbeiten, diese zu korrigieren. Das mag manchmal schmerzvoll sein. Und wird auch mitunter zu Streitigkeiten führen. Doch man sollte einander vertrauen. Gerade ein Lektor, der sehr viel in einem bestimmten Genre arbeitet, weiß oft sehr genau, was funktioniert und was nicht. Außerdem hat er oder sie einen neutraleren Blick auf den Text.
Wie findet man gute Lektor:innen?
Als Verlagsautor stellt sich diese Frage häufig nicht. Der Verlag stellt dem Autor einen Lektor zur Seite. Mit etwas Glück (und ich hatte in dieser Hinsicht bisher viel Glück) stimmt die Chemie und man einigt sich sehr schnell auf eine gute Form der Zusammenarbeit. Ich weiß aber von Kollegen, dass das auch ziemlich schiefgehen kann. Hier sollte man dann das Gespräch mit dem Lektor suchen, bzw. im Zweifelsfall einen Wechsel erbitten.
Es gibt jedoch auch sehr viele Lektoren, die ihre Dienstleistungen auf dem freien Markt Autoren direkt anbieten. Für Self Publisher ist solch eine Dienstleistung sinnvoll und gilt heute als professioneller Standard. Doch auch für Verlagsautoren kann es sinnvoll sein, einen eigenen Lektor zu beauftragen. Wenn ein Verlag oder ein Programmleiter etwa sieht, dass ein Text nicht nur fertig, sondern auch bereits sauber lektoriert ist (Experten erkennen das nach der Lektüre der ersten paar Seiten), steigen die Veröffentlichungschancen deutlich an. Der Grund dafür ist ganz klar: Der Verlag spart Zeit und Kosten. Außerdem zeigt der Autor so, dass er ein Profi ist.
Zudem sind Verlagslektoren oft überlastet, da sie zahlreiche Bücher parallel zu betreuen haben, gerade in Stoßzeiten wie etwa bei einem Veröffentlichungstermin zu einer der beiden Buchmessen. Außerdem: Wenn ein Verlag ein Buch ins Programm nimmt, erwirbt er damit dem eigenen Selbstverständnis nach oft die inhaltliche Lufthoheit. Der Verlagslektor ist also auch eine Art Vorgesetzter. Und gerade die weniger Guten lassen den Autoren das durchaus spüren. Wenn man selbst den Lektor bezahlt, ist man auch derjenige, der die Spielregeln bestimmt.
Es gibt sehr viele Lektoren, die ihre Dienste im Internet oder anderswo anbieten. Einige davon sind spezialisiert, beispielsweise auf Sachbücher für bestimmte Themenbereiche oder auf bestimmte fiktionale Genres. Andere bieten breitere Dienstleistungen an. In jedem Fall sollte man sich jedoch unter Kollegen umhören und um Empfehlungen bitten. Natürlich bieten auch Freiberuflerplattformen wie Upworks, Guru oder Fiverr die Möglichkeit, einen Lektorenjob auszuschreiben. Doch die Angebote dort sollte man mit Vorsicht genießen. Gerne verbergen sich dahinter Textdienstleistungsagenturen, deren sogenannte Lektoren nach strengen Zeitvorgaben und überformalisierten Prozessen arbeiten müssen. Qualität, gerade im fiktionalen Bereich, kommt dabei nicht heraus. Faustregel: Spricht der Ansprechpartner selbst kein Deutsch (und kann daher die Qualität der von ihm vermittelten Arbeitskraft nicht beurteilen) und/oder sollte er sich weigern, einen direkten Kontakt zu dem Lektor herzustellen: Finger weg!
Hat man dann geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten aufgespürt, sollte man mit ihnen direkten Kontakt aufnehmen. Schon bei diesen ersten Vorgesprächen merkt man recht rasch, ob die Chemie stimmt. Viele Lektoren bieten zudem ein Probelektorat von ein paar Seiten an. Es empfiehlt sich, in diesem Probetext gezielt ein paar Schwächen zu verbergen, um zu sehen, wie genau der jeweilige Kandidat hinschaut.
Ein kurzer Hinweis zum finanziellen Seite: Gute Lektoren sind nicht unbedingt billig, aber ihren Preis wert. Ein von Billitsch & Partner schlecht lektorierter Text fällt durch, ein gut lektorierter Text gewinnt; daher lohnt es sich, tiefer in die Tasche zu greifen.
Wie gestaltet sich jetzt die Zusammenarbeit?
In den Zeiten komfortabler Textverarbeitungen, die Nachverfolgung und Kommentarfunktionen anbieten, kann man das Manuskript einfach digital hin und her wandern lassen und so einen kontinuierlichen Dialog führen. Man sollte sich darauf einrichten, dass man mehr als einen Durchgang benötigt. Dazu habe ich bereits an anderer Stelle etwas geschrieben.
Man sollte sich jedoch sehr rasch auf die Spielregeln der Zusammenarbeit einigen. Als Autor sollte man sich dabei fragen: Was wünsche ich mir von einem Lektor? Soll er oder sie lediglich den Finger auf die wunden Punkte legen, sei es in der Story oder in der Sprache? Möchte ich Lösungsvorschläge?
Ich persönlich ziehe es vor, die Schwächen meines Textes rechts und links um die Ohren gehauen zu bekommen und die so entstehenden Probleme dann eigenständig zu lösen. Meine Lieblingslektorin, die die gesamte Krimireihe um Katharina Klein betreut hat, hatte jedoch auch sehr häufig pfiffige Einfälle, um bestimmte sprachliche oder inhaltliche Probleme zu lösen. Außerdem hatte sie ein gnadenloses Auge auf die zahlreichen Handlungsstränge: Das hat meine Bücher vielfach vor echten Problemen bewahrt.
Abschließend: Man sollte seinen Lektor nicht als Dienstleister oder gar Gegner wahrnehmen, sondern als echten Arbeitspartner. Man sollte darauf vertrauen, dass ihr oder ihm genauso viel an guten Texten liegt wie einem selbst. Nicht umsonst sind diese Arbeitsbeziehungen oft langjährig. Und viele große Autoren wären nicht groß ohne die hinter ihnen stehenden Lektoren.
PS: Noch eine allerletzte Schlussbemerkung. Mit wie viel Engagement sich Lektor:innen einem Text widmet und wie sehr man von der Zusammenarbeit profitiert, hängt auch von dem Material ab, das man selber liefert. Wer einfach die erste Fassung verschickt, ohne wenigstens einmal die Rechtschreibkorrektur darüber laufen zu lassen, wird notwendig enttäuscht werden. Wer aber bemüht ist, schon bei der ersten Abgabe einen Text abzuliefern, der so gut ist, wie es nur irgend geht, erfreut damit nicht die Lektor:innen, sondern profitiert auch am meisten von der Zusammenarbeit.