Seien es nun die Verlockungen des Alltags, der Social Media Post oder Blog-Eintrag, den man noch unbedingt lesen muss, sei es die wichtige Fernsehsendung oder einfach nur ein Anfall von Unlust: Die Frage „Wie motiviere ich mich zum Schreiben?“ hat sich wohl allen Schreibenden schon mal gestellt. Und auch auf Lesungen bekomme ich sie fast immer zu hören.
Beginnen wir die Antwort mit ein paar Grundlagen.
Intrinsische vs. extrinsische Motivation
Die Psychologie unterscheidet zwischen intrinsischer Motivation, also jener, die in der Tätigkeit selber liegt, und extrinsischer Motivation, die von außen kommt. Neuere Forschung legt nahe, dass optimale Motivation ein Mix aus beidem ist. Macht beispielsweise die berufliche Tätigkeit Spaß, ist aber schlecht bezahlt, sinkt die Motivation langfristig genauso wie im Fall des Scheißjobs, der viel Kohle einbringt.
Wie sieht der ideale Mix beim Schreiben aus? Meine wesentliche Motivation für das fiktionale Schreiben ist intrinsisch. Ich liebe es Wörter zu Sätzen und Texten aneinander zu reihen. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze und an meinen Romanen arbeite, dann fühle ich mich wie das Kind in der Sandkiste, dass seinem Spiel freien Lauf lässt. Umgedreht geben mir extrinsische Belohnungen – die Veröffentlichung, das verkaufte Buch, die Fanpost, der Applaus auf einer Lesung – einen zusätzlichen Schub. Ganz ohne Bestätigung von außen, die meine intrinsische Motivation validiert, hätte ich wohl längst schon aufgegeben.
In meiner hauptberuflichen Arbeit hingegen, dem Schreiben bzw. Übersetzen von Texten für Marketing und Werbung, spielt die extrinsische Motivation – der Stand meines Bankkontos – eine deutlich größere Rolle.
Könnte ich es mir leisten, würde ich diesen Teil meiner Arbeit sofort an den Nagel hängen, um mehr Zeit für meine Romane zu haben. Das heißt aber nicht, dass nicht auch diese Arbeit intrinsisch erfüllend wäre. Ich liebe es, nach dem perfekten Slogan, der perfekten Headline zu suchen; komplexe Inhalte knapp und verständlich aufzubereiten; mir neue, oft überraschende Themen zu erarbeiten.
Schreiben sollte langfristig intrinsisch motiviert sein
Doch kehren wir zurück zu unserem Schreibanfänger: Generell würde ich ihm den Rat mit auf den Weg geben, nach seiner intrinsischen Motivation zu suchen. Zwar träumt jeder Schreibende von der Veröffentlichung, dem großen Durchbruch, dem finanziellen und dem Publikumserfolg, doch man sollte sich bewusst sein, dass es sich dabei eben um Träume handelt, die nur in den seltensten Fällen wahr werden. Und selbst wenn, ist es bis dahin noch ein langer Weg. Zwischen dem ersten Wort und der ersten Veröffentlichung vergehen in der Regel Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Diese Durststrecke übersteht man nur, wenn man hinreichend liebt, was man macht.
Die kleine Belohnung zwischendurch
Kurzfristig spricht jedoch nichts dagegen, sich bei der abendlichen Schreibsession mit einem guten Glas Wein oder einer Handvoll Leckereien extrinsisch zu motivieren. Manchmal ist ein Gummibärchen zur rechten Zeit genau der kleine Stupser, den man benötigt.
Den inneren Schweinehund bändigen
Machen wir uns nichts vor: Zwischen uns und dem Schreiben steht oft genug der innere Schweinehund, der dann doch lieber die halbe Stunde länger schlafen, den Abend lieber vor dem Fernseher oder die Zugfahrt mit dem neuesten Podcast verbringen möchte. Dagegen hilft nur Disziplin – und ausreichend intrinsische Belohnung: Der Payout des Schreibens muss deutlich größer sein als das Genussversprechen des inneren Schweinehundes.
Leider hat der innere Schweinehund Mitstreiter – mitunter bösartige: Die Dämonen.
Dämonen exorzieren
Schreiben ist eine Beschäftigung, die erstaunlicherweise auf weniger Verständnis trifft als beispielsweise Malen oder gar Musizieren. Vielleicht liegt es daran, dass wir alle mal in der Schule die Grundlagen des Schreibens gelernt haben und uns daher als Experten wähnen. Zudem ist Schreiben eine Form des Egotrips: Die Zeit, die ich dem Schreiben widme, gehört mir. Keinem Freund. Keinem Partner. Keinem Boss. Das ruft jene auf den Plan, die um genau diese Aufmerksamkeit buhlen.
Diese Menschen sind jedoch nicht halb so destruktiv wie jene Wohlmeinenden, die einem das Schreiben nicht zutrauen. Die einem erst nach messbarem Erfolg Respekt zollen. Oder jene „guten Freunde“, die Freundschaft als Pflicht missverstehen, erst einmal alles zu „dekonstruieren“ – also in Grund und Boden zu kritisieren.
Es mag hart klingen: Diese Menschen haben in meinem Leben keinen Platz mehr und ich kann auch anderen nur raten, sie entweder in ihre Schranken zu weisen oder aus ihrem Umfeld zu verbannen. Ich habe mich auch schon von einer Lebensgefährtin getrennt, weil sie weder meinen Tagesrhythmus (ich bin Morgenmensch) verstehen, noch akzeptieren konnte, dass es Zeiten gibt, in denen sie nicht im Mittelpunkt steht und ich nur im äußersten Notfall ansprechbar bin.
Schweigen ist Gold
Zuletzt gibt es noch Dämonen, die gar keine sein wollen. Die es ganz genuin gut mit einem meinen: Ich spreche von den Neugierigen, die wissen wollen, was man macht und schreibt.
Gutmütig? Ja. Harmlos? Nein.
Viele Schreibende haben wie ich die Beobachtung gemacht, dass die Lust am Schreiben eines Textes schwindet, je mehr man darüber spricht. Der innere Druck, etwas in Worte zu fassen, wird allein schon durch das Reden abgebaut.
Daher: Schweigen ist Gold. Ich persönlich spreche nur mit sehr wenigen Vertrauten über meine Projekte – wenn überhaupt.
Rand-Beobachtung: Der Dichter-Schwätzer
Das Gegenstück zum Neugierigen ist übrigens der – zumeist männliche – Dichter-Schwätzer:
Er hat vielleicht irgendwann mal etwas veröffentlicht (aber eher nicht, und wenn, dann ist das Buch vergriffen), und er wird dir mit Begeisterung von all seinen Projekten erzählen, vor allem von dem ganz großen Deutschland-Roman, mit dessen Niederschrift er ganz bestimmt bald beginnen wird. Gerne bindet er in seine Erzählungen Lektionen dazu ein, wie „das mit dem Schreiben“ denn so funktioniere – bevor er sich wieder der anspruchsvollen Tätigkeit seines Aushilfsjobs widmet.
Also bitte, liebe Schreibwilligen, tut euch den Gefallen: Schreibt, aber schweiget. Und werdet um Gotteswillen nicht zum Dichter-Schwätzer. Eure Umwelt wird es euch ebenso danke wie ihr euch selbst.
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt?
Nein. Jede erfolgreiche Reise beginnt mit einem Mindestmaß an Planung. Nicht mal Genies können sich einfach an den Schreibtisch setzen und losschreiben. Wieviel Planung man jedoch benötigt, hängt von den eigenen Vorlieben, aber auch vom Projekt ab. Einen Roman schreiben zu wollen – ein Vorhaben, das ein Jahr oder länger dauern kann –, ohne sich entsprechend vorzubereiten, ist ein Rezept für Chaos und Misserfolg. Die Chancen stehen 99:1, dass dieser Roman auf Nimmerwiedersehen in der Schreibtischschublade landet.
Okay, Schweinehund gebändigt, Dämonen exorziert, schriftstellerisches Schweigegelübde abgelegt, Reiseroute geplant: Und jetzt?
Du sitzt also an deinem Schreibplatz, der Cursor blinkt in der ersten Zeile eines neuen Dokuments, das jungfräuliche Papier wartet auf den ersten Strich deines Stifts. Doch die Worte wollen nicht kommen. Die Versagensangst, die Hürde des leeren Blattes ist zu hoch. Hier aber drei „Quick and Dirty“-Tricks, um dir darüber hinweg zu helfen.
Trick #1: Schreib irgendwas.
Bis zur Veröffentlichung kannst du alles noch ändern. Du hast keine Idee, wie der Text beginnen soll? Dann schreib erst mal, als würdest du ein neues Projekt skizzieren. Nach wenigen Sätzen ist die Hürde genommen und die Worte fließen freier – versprochen.
Trick #2: Wenn du dich hinsetzt, um zu schreiben, solltest du genau wissen, was du in dieser Session schreiben willst.
Klingt selbstverständlich? Ist aber nicht immer einfach. Mein Trick: Kurz vor dem Einschlafen werfe ich noch einmal einen Blick in meine Notizen für den nächsten Tag und erzähle mir im Geiste den Fortgang der Handlung. Über Nacht hat sich dann die Szene – und damit auch die dafür notwendige Sprache – verfestigt, sodass ich sie am nächsten Morgen aufschreiben kann.
Trick #3: Höre nie am Ende eines Abschnitts auf.
Am besten beendest du deine Schreibsession mitten im Absatz oder sogar mitten im Satz. So weißt du zu Beginn der nächsten Schreibsession bereits, was du schreiben sollst. Die Hürde der ersten Worte ist genommen. Diese Weisheit verdanke ich übrigens Hemingway, der es viel schöner ausdrückte, als ich es je kann, und dem ich daher das Schlusswort für diesen Artikel überlasse:
„Ich habe gelernt, den Brunnen meines Schreibens nie vollständig zu leeren, sondern stets einen Rest zu belassen – ganz unten in den Tiefen des Brunnens, so dass er sich über Nacht wieder füllt aus den Quellen, die ihn speisen.“